Transformation

Schon oft habe ich unsere verlorene Geschichte thematisiert. Sie schien mir ein Schlüssel zu sein, um wieder zu uns selbst zu finden.
Nur wer seine Vergangenheit kennt, kann die Zukunft definieren, so war mein Ansatz.

Es ist erstaunlich, was seit einigen Monaten passiert - wie viel verschwiegene Geschichte fast täglich ans Licht kommt. Wer die Kanäle im Netz kennt, weiß, wovon ich rede.
Als ob plötzlich viele Menschen dieses Thema verinnerlichen - als ob es einen richtigen Lern-Schub gibt - oder besser: mit welcher Wonne sich eine fast vertrocknete Pflanze nach einem lang ersehnten Regen aufrichtet.
Dieses Gefühl werde ich bei meinen Recherchen nicht mehr los. Es ist ein schönes Gefühl, das mir unter die Haut geht.
Trotz der schrecklichen Wahrheiten, trotz des Leides, das unsere Vorfahren erlitten haben.
Es ist ein schönes Gefühl - ein Gefühl des Wiederfindens.

Mir kommt Heinrich Heine in den Sinn, der es vor ca. 175 Jahren so ausdrückte:

"...Und als ich die deutsche Sprache vernahm,
Da ward mir seltsam zumute;
Ich meinte nicht anders, als ob das Herz
Recht angenehm verblute.."

Deutschland - ein Wintermärchen.

Erst jetzt bekomme ich eine Ahnung davon, was in ihm vorging, als er diese Zeilen schrieb. Wie er der Realität zum Trotz die Vision einer glücklichen Zukunft für Deutschland behielt.
Ob er wohl geahnt hat, wie tief wir noch zu sinken hatten?
Es ist Zeit.
Zeit zur Besinnung.

Damals war es vielleicht(?) vergleichsweise einfach, den Faden der Geschichte wieder aufzunehmen. Jetzt, nach zerstörerischen Kriegen und wirkungsvoller Gehirnwäsche ist vom "Deutschen Geist" nicht mehr viel übrig geblieben. Vielleicht kann der frische Wind, der jetzt all das verlorene Wissen ans Licht bringt, ihn wieder entfachen.
Ich hoffe es sehr.

Es macht Sinn, unsere Aufmerksamkeit auf die wahre Geschichte zu richten. Auch wenn jetzt einige sagen werden: es ist besser, den Blick nach vorn und auf die Zukunft zu richten. Ja, natürlich habe ich oft genug auf die geistigen Gesetze hingewiesen. Das bleibt so stehen. Diese Korrektur in Form eines kleinen Umwegs halte ich aber für wichtig.

Wir sind generationsübergreifend traumatisiert. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.
Dank der Epigenetik haben wir jetzt auch eine wissenschaftliche Basis, um die Wirkung des Erlebens der Vorfahren auf unser Sosein nachzuweisen.
Ein Trauma, also ein katastrophales Ereignis, das als lebensbedrohlich wahrgenommen wurde, wird in der Regel verdrängt. Dieser sinnvolle Mechanismus läßt uns weiterleben. Aber auch wenn es ins Unbewußte verbannt wird, bleibt es doch wirksam.
Es gibt die These, daß es für traumatisierte Menschen schwer ist, die geistigen Gesetze anzuwenden.
Wir wissen auch dank der 5BN, daß es eine "Bedürfnispyramide" gibt. Um es biologisch auszudrücken: Je mehr Konfliktmasse sich angesammelt hat, umso schwerer ist der Höhenflug ins Geistige. Dabei wiegen die Stammhirn-Überlebens-Themen besonder schwer.

Man kann sich leicht zusammenreimen, daß es bei den Generationen unserer Vorfahren in Kriegszeiten oft genug um das reine Überleben ging. Wieviel Todes- und Existenzängste mußten sie erleben. Niemand kann ermessen, wieviel Schmerz um verlorene Menschen, verlorene Heimat, Gewalt, Vertreibung und Demütigung es gegeben hat.

Dem vernichtenden Schuldspruch folgte das Schweigen.
Dem Schweigen folgte das Vergessen.
Mit dem Stigma des Bösen gebranntmarkt, verstummte bald auch das letzte Aufbegehren. Statt Aufklärung und Wahrheit gab es Lüge, Täuschung und was besonders schwer wiegt: eine verordnete Selbstverleugnung.

Anstatt die Traumata aufzuarbeiten, wurden sie im Unbewußten eingefroren.
 
Sie sind noch immer in uns präsent.
Sie warten darauf, erlöst zu werden.
Vielleicht können wir sie wirklich "transformieren", indem wir unseren Ahnen die Aufmerksamkeit und Liebe schenken, die notwendig ist, um ihren Schmerz in Demut zu segnen und ihn in die Gewißheit der Heilung zu verwandeln.

Dann hätte ihr Erleben seinen Sinn gefunden: in der Dankbarkeit der Nachkommen.

So ungefähr kann ich mir "Erlösung" vorstellen - als das endgültige Loslassen einer traumatisierten Vergangenheit.

Wir haben von unseren Vorfahren gelernt, können wir dann sagen. Ihr Leid war nicht umsonst. Wir werden die gleichen Fehler nicht wiederholen.

So bekommen wir die Leichtigkeit des Geistes zurück.
Der Blick nach vorn klärt sich auf.
Das Ziel wird klarer.
Ein Weg wird sichtbar.

Es wäre auch ein wichtiger Beitrag, unser kollektives Karma aufzulösen.

Unsere Ahnen haben diese Aufmerksamkeit verdient, denke ich. Sie haben für unser Dasein gesorgt, haben ihr Herzblut in das Aufwachsen ihrer Kinder gelegt. Dafür dankbar zu sein, ist mir gerade jetzt in dieser Zeit ein Herzensbedürfnis.

Jedes Volk dieser Welt durchschreitet jetzt den Prozeß der Transformation. Jedes Volk auf seine Weise.

Ich wünsche uns allen, daß wir - jeder für sich - den Weg finden, den zu gehen wir jetzt gefordert sind.

Wenn das Ziel klar ist, spielt das Verwirrspiel keine Rolle mehr, das man mit uns noch treibt.

Allen eine gute Zeit.

Es ist die Zeit der Transformation. Auch unsere Ahnen haben darauf hin gearbeitet.

Bleiben wir stark - und in der Gewißheit einer lebenswerten Zukunft.

Herzlich
Karlheinz Wagler

im September 2021