Angst oder Vertrauen

Jede Form der Angst läßt sich auf einen gemeinsamen Nenner herunterbrechen: auf die Angst vor dem Tod.
Sie beginnt oft schon mit dem Leben - ganz am Anfang unserer Existenz.

Unser Überleben ist das erste und wichtigste Grundbedürfnis. Solange wir noch ungeboren im Bauch der Mutter wohnen, fühlen wir uns sicher und geborgen. Es ist für alles gesorgt.

Eine natürliche und "normale" Geburt wird vom Kind selbst eingeleitet. Sie geschieht einfach, weil das Kind das Vertrauen der Mutter in die Natur spürt. Es gibt keine Angst vor dem Danach.

Das Urvertrauen überträgt sich auf das Kind. So bewältigt es den kurzen Verlust der Geborgenheit und geht mit Zuversicht hinüber in das neue Dasein. Auch dort wird es von der Mutter aufgefangen, die sofort mit ihrer Zuwendung die Geborgenheit wieder herstellt.

So sollte es sein.

In unserer heutigen naturentfremdeten Welt kommt das selten vor. Die Regel ist eher eine angstkonditionierte Mutter, eine sterile Umgebung, ein übertriebene Jagd nach Laborwerten mit allen Folgen für die Befindlichkeit des Kindes.
Es ist gefährlich, geboren zu werden.
Die ersten Ängste werden geprägt.
Das Urvertrauen ist verloren gegangen.

Kommt es gar zu einer gewaltsamen Geburt, gleicht sie einem Trauma. Der erste Atemzug nach dem Schock des vorzeitigen Trennens der Nabelschnur gleicht dem verzweifelnden Ringen nach Luft eines Ertrinkenden.
Diese Angst hat eine existentielle Dimension.

Wenigstens sollte jetzt die Mutter greifbar sein. Ihre Aufgabe ist ab sofort eine anspruchsvolle. Denn nur sie kann die Angst durch ihr Dasein in das so lebensnotwendige Vertrauen wandeln.

Wer von uns hatte schon das Glück, eine angstfreie Geburt zu erleben? Wer hat gar das Urvertrauen in das Leben, das bis über den Tod hinaus reicht? Denn auch der körperliche Tod ist ein ähnlicher Übergang von hier nach da wie der einer Geburt. Haben wir Angst davor, wird es ein Trauma. Leben wir im Urvertrauen, wird auch dieser Schritt nur einer sein, der uns weiterbringt.

Wir erleben eine außergewöhnliche Zeit. Alles, was uns wert war, wird gnadenlos infrage gestellt.
Dabei spielt es nicht einmal die Rolle, ob wir an einen Virus glauben oder an eine Weltverschwörung. Jeder wird in diese Turbulenzen hineingezogen. Jeder reagiert auf seine Weise.
Das Schwinden von Freiheit geht einher mit Sinnentleerung, Ziellosigkeit, Konsterniertheit, Hilflosigkeit und massiven Ängsten aller Art. Spurlos wird es kaum an jemanden vorübergehen.

Jetzt schwindet auch das bißchen Sicherheit, das wir als hinreichend empfunden hatten, um einigermaßen angstfrei zu sein.

Jetzt zeigt sich, wie groß unser Vertrauen in das Leben wirklich ist.

Angstfrei zu sein, ist jedem zu wünschen, denn die Angst verhindert die jetzt so notwendige Fähigkeit, eine lebenswerte Zukunft zu visualisieren.

Unser künstliches Gesellschafts-Konstrukt hat unser Vertrauen verspielt. Was uns bleibt, ist das ureigenste Vertrauen in unser Leben.
Besinnen wir uns auf unsere vollkommene Existenz als Einheit von Geist, Seele und Körper.

Was haben wir wirklich zu verlieren?
Wer im Urvertrauen lebt, weiß, daß er im Leben geborgen ist.
In Liebe zu leben, ergibt sich daraus wie von selbst.

Da draußen läuft ein Film. Er handelt von der Illusion einer unentrinnbaren Gefahr. Er wirkt hypnotisch. Er ist es, der die Angst erzeugt.
Er zwingt uns aber auch, die Wahrheit hinter den Lügen zu finden. Unserer natürlicher Verstand erbringt diese Leistung mit Leichtigkeit. Wir müssen ihm nur vertrauen.

Wenn wir im Urvertrauen leben, können wir über den Film lächeln und uns der eigenen Zukunftsvision zuwenden.
Wir wissen es doch: worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, ...

Auch wenn ich mich wiederhole: Ich wünsche allen die so notwendige mediale und gedankliche "Hygiene", um diesen Prozeß in bester Weise zu überstehen.

Die Natur erwacht mit frischen Farben.
Gehen wir hinaus in den Mai und erleben die Entfaltung neuen Lebens. Hier wird uns die bedingungslose Urkraft der Schöpfung wieder bewußt, deren ungetrennter Teil wir sind.

Karlheinz Wagler
Mai2021